Eine heilende Geburt

In meiner ersten Schwangerschaft hatte ich den Wunsch mein Baby natürlich und intuitiv auf die Welt zu bringen. In Spanien, wo ich zu der Zeit wohnte, ist es aber fast unmöglich außerklinisch zu gebären, sodass ich zur Geburt in das nächste Universitätsklinikum fuhr. Das Ambiente war professionell aber kühl und das Personal wechselte ständig. Zusätzlich war ich dauerhaft an einem CTG angeschlossen und extrem eingeschränkt in meiner Bewegung.
Ich war frustriert und es fiel mir schwer mich fallen zu lassen. Nach stundenlangen Wehen ohne Öffnung des Muttermundes bat ich um eine PDA, und schlief dann völlig erschöpft ein. Zwei Stunden später wachte ich plötzlich mit Presswehen auf und wurde kurze Zeit später in den Kreissaal gebracht. Da ich die PDA bekommen hatte musste ich auf dem Rücken liegen bleiben. Es waren zwei Hebammen und zwei Ärzte anwesend und kurz bevor es losging wurde auf den Flur gerufen und es kamen fünf Medizinstudenten hinzu.
Die Geburt war unkompliziert aber ich fühlte mich betrogen um die Geburt die ich mir ausgemalt hatte. Das Gefühl von Fremdbestimmung und dem Übertreten meiner Grenzen blieb und überschattete die Freude über unseren gesundes Sohn. 

Ich wollte eine zweite Geburt unbedingt anders erleben. 

Noch vor unserem Umzug nach Deutschland nahm ich Kontakt zur Hebammerei auf – ein Schritt, der sich sofort richtig anfühlte. 

Während der Schwangerschaft fühlte ich mich in der Hebammerei gut begleitet. Zu Jessica konnte ich schnell Vertrauen aufbauen. Sie war da, hörte zu, ermutigte – und vermittelte mir das Gefühl, mit all meinen Fragen und Hoffnungen genau richtig zu sein.

Als der errechnete Termin verstrich und schließlich zehn Tage überfällig war, wurde ich zunehmend unruhig. Alles sprach für eine natürliche, komplikationslose Geburt – aber der Gedanke an eine mögliche Einleitung bereitete mir Bauchschmerzen. Doch Jessica blieb ruhig, traf sich weiterhin regelmäßig mit mir und sprach mir bei jedem Treffen Mut zu. Ich klammerte mich an die Hoffnung auf eine Geburt im Geburtshaus, auch wenn ich jedes Mal sehr enttäuscht war, wenn die Wehen wieder kamen – nur um nach Stunden erneut abzuflauen. Ich fragte mich immer wieder: Wann geht es endlich los?

An einem Samstagabend war es dann wieder so weit – stärkere Wehen setzten ein.

Doch nach den vielen Fehlalarmen der letzten zwei Wochen schenkte ich dem Ganzen zunächst wenig Aufmerksamkeit. Wir aßen gegen 19:30 Uhr zu Abend und brachten anschließend unseren Sohn ins Bett. Es fiel mir zunehmend schwer, ruhig mit ihm Bücher zu lesen oder mich wie gewohnt zur Einschlafbegleitung neben ihn zu legen. Die Wehen waren deutlich spürbar, kraftvoll – und alles in mir wollte sich bewegen.

Während mein Mann unseren Sohn in den Schlaf begleitete, zog ich mich ins Wohnzimmer zurück, setzte meine Kopfhörer auf und ließ mich ganz auf die Wellen meines Körpers ein.

Ich bewegte mich intuitiv, folgte dem Rhythmus der immer intensiver werdenden Wehen – und spürte, dass es diesmal wirklich losging.

Ich rief Jessica an und wir verabredeten uns im Geburtshaus. 

Kurz nach 22 Uhr fuhren wir los ins Geburtshaus. Dort angekommen, kniete ich zunächst für ein paar Minuten auf der Matte, während Jessica das warme Wasser in die Badewanne einlaufen ließ. Die Wehen waren inzwischen intensiv, doch ich war fokussiert, bei mir – und voller Vorfreude. Kaum war ich in das wohltuende Wasser gestiegen, ermutigte Jessica mich mitzuschieben. Ich war völlig überrascht – wir waren doch gerade erst angekommen, und ich hatte erst seit etwa drei, vier Stunden wirklich starke Wehen. Das kann doch noch nicht die Pressphase sein, dachte ich – verunsichert von der rasanten Entwicklung.

Jessica bot mir eine Muttermunduntersuchung an, um mir Sicherheit zu geben – und bestätigte mir, dass ich vollständig geöffnet war. Ich konnte es kaum fassen. Kaum hatte ich diese Bestätigung, begann ich aktiv mitzuschieben – und schon nach kurzer Zeit wurde unsere Tochter Aya sanft in der Badewanne geboren.

Was diesen Moment für mich besonders machte, war das Gefühl von Stärke, Geborgenheit und Teamgeist. Mein Mann war die ganze Zeit an meiner Seite, hielt meine Hand, sprach mir Mut zu, machte kleine Scherze – wir waren ein echtes Team.

So anders als bei der ersten Geburt, bei der er durch das Klinikpersonal in eine Ecke und in eine passive Zuschauerrolle gedrängt worden war. Jetzt war alles so viel intimer, respektvoller, liebevoller.

Jessica war während der gesamten Geburt präsent – ruhig, zugewandt und mit einer Selbstverständlichkeit, die mir tiefes Vertrauen schenkte. Sie strahlte Sicherheit aus, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Ihre Präsenz war spürbar, aber nie aufdringlich – genau die Begleitung, die ich mir so sehr gewünscht hatte.

Diese Geburt war heilend, stärkend – und ein zutiefst bewegendes Erlebnis, für dass ich sehr dankbar bin.

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Anders als geplant